Digitale Abschlussstrecken gewinnen in der Versicherungsbranche zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Versicherungen setzen auf vollständig digitale Prozesse, um Kunden den Abschluss von Policen bequem online zu ermöglichen.
Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erfolgt inzwischen rund ein Fünftel aller Versicherungsabschlüsse vollständig digital – Tendenz steigend. Noch deutlich höher liegt der digitale Einfluss auf die Customer Journey: So gaben in einer Statista Umfrage 82 % der Befragten an, bei ihrer letzten Kfz-Versicherung auf Online-Quellen zurückgegriffen zu haben. Auch Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox spielen dabei eine große Rolle – 71 % der Online-Versicherungsnutzer greifen auf diese Angebote zurück.
Die Zahlen zeigen klar: Versicherungen werden heute digital gesucht – und immer öfter auch digital abgeschlossen. Trotzdem bleibt die Realität vieler Abschlussstrecken hinter dem Anspruch zurück. In diesem Artikel zeigen wir, wo die größten Stolpersteine liegen, welche Potenziale ungenutzt bleiben – und wie Versicherer es besser machen können.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Die Diskrepanz im digitalen Vertrieb
Während Marketing und Leadgenerierung in vielen Unternehmen längst digital aufgestellt sind, bleibt der eigentliche Abschlussprozess oft Stückwerk. Die Übergänge zwischen Website, Angebot, Tarifrechner, Identitätsprüfung, Signatur und Policierung sind häufig brüchig.
Das führt dazu, dass Interessierte unterwegs abspringen – nicht, weil das Produkt nicht passt, sondern weil der Weg dorthin zu kompliziert ist. Besonders gravierend wird das, wenn parallel Maklervertrieb und Onlinevertrieb bestehen: Hier fehlt oft eine integrierte Vertriebsstrategie, die beide Kanäle sinnvoll aufeinander abstimmt.
Wann lohnen sich digitale Abschlussstrecken wirklich?
Nicht jede Versicherung eignet sich gleichermaßen für den digitalen Direktvertrieb. Geeignet sind vor allem Produkte, die standardisiert und leicht vergleichbar sind – etwa Kfz-, Haftpflicht- oder Hausratversicherungen. Auch ein niedriger Beratungsbedarf und eine digitalaffine Zielgruppe begünstigen den Erfolg.
Produkte mit höherer Komplexität – wie Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherungen – profitieren dagegen stärker von hybriden Modellen: Die Kunden informieren sich online, wollen aber zum Abschluss persönliche Beratung.
Warum scheitern viele Abschlussstrecken trotzdem?
Viele Versicherer investieren in moderne Abschlussstrecken – und sind dennoch mit hohen Absprungraten konfrontiert. Die Gründe dafür liegen selten im Produkt, sondern meist in der Umsetzung.
Häufig schreckt eine komplizierte User Experience mit unübersichtlichen Formularen, langen Ladezeiten oder Medienbrüchen ab. Auch fehlende Personalisierung, mangelnde Transparenz zu Leistungen und Kosten oder technische Hürden bei Identifikation und Signatur führen dazu, dass der Abschlussprozess vorzeitig abgebrochen wird.

End-to-End statt Einzelmaßnahmen: Der Blick aufs Ganze
Viele Optimierungen setzen zu spät oder zu isoliert an. Ein ganzheitlicher Blick auf den gesamten Prozess ist entscheidend. Nur wenn alle Stationen – von der Landingpage über den Abschluss bis zur After-Sales-Kommunikation – sauber ineinandergreifen, entsteht ein stimmiges Erlebnis.
Wichtige Stellschrauben dabei sind:
- Zielgruppenverständnis: Wer soll konkret angesprochen werden? Was treibt diese Personen an? Was sind ihre digitalen Gewohnheiten?
- Kanalstrategie: Wie wird zwischen Makler- und Onlinevertrieb sauber getrennt – oder bewusst verzahnt?
- Datenschutz & Sicherheit: DSGVO-konforme Prozesse und transparente Kommunikation schaffen Vertrauen.
- KI-Unterstützung: Künstliche Intelligenz kann helfen, Prozesse zu automatisieren, Leads zu qualifizieren oder Empfehlungen auszuspielen – vorausgesetzt, sie wird sinnvoll eingesetzt.
Absprungraten senken: Praktische Ansätze
Technische Infrastruktur allein reicht nicht aus, um Interessierte bis zum Abschluss zu begleiten. Entscheidend ist, sie von Anfang an gezielt abzuholen. Eine gezielte Bedürfnisabfrage gleich zu Beginn zeigt, dass es um mehr geht als um ein Standardprodukt – sie schafft Relevanz. Statt Nutzer mit langen Formularen zu konfrontieren, wirkt eine schrittweise Prozessführung mit klaren Orientierungspunkten deutlich einladender. Vertrauensanker wie TÜV-Siegel, Kundenbewertungen oder transparente Informationen zum Datenschutz stärken zusätzlich das Sicherheitsgefühl.
Auch der Umgang mit Nutzerdaten sollte durchdacht sein: Wer nur das Nötigste abfragt und das Profil im Verlauf sinnvoll ergänzt, hält die Einstiegshürde niedrig – und die Absprungrate gering. Ebenso wertvoll: qualitatives Feedback. Ob durch Abbruchanalysen oder gezielte Nutzerbefragungen – nur wer weiß, wo es hakt, kann gezielt optimieren.
Wohin geht die Reise? Aktuelle Trends und Perspektiven
Digitale Abschlussstrecken entwickeln sich weiter – und es lohnt sich, einen Blick auf bewährte Methoden aus dem E-Commerce zu werfen. Vor allem diese Trends gewinnen an Relevanz:
- Conversational Checkout: Interaktive, dialogorientierte Abschlussprozesse, die Nutzer intuitiv durch den Abschluss führen
- Adaptive Journeys: Dynamische Strecken, die sich flexibel an das Verhalten und die Bedürfnisse der Nutzer anpassen
- Pre-Exit Interventionen: Intelligente Unterbrechungen, wenn Nutzer im Begriff sind, den Prozess zu verlassen – etwa durch Chat-Einblendungen oder Sonderangebote
Gleichzeitig wächst der Druck durch Datenschutz und Regulierung: Einwilligungsmanagement, Transparenzpflichten und DSGVO-konforme Prozesse müssen von Anfang an mitgedacht werden.
Fazit: Abschlussstrecken sind kein IT-Projekt, sondern Teil der Vertriebsstrategie
Digitale Abschlussstrecken sind längst ein relevanter Vertriebskanal – aber nur dann erfolgreich, wenn sie den Erwartungen der Zielgruppen gerecht werden. Die Kombination aus technischer Exzellenz, einfacher Nutzerführung und echtem Mehrwert macht den Unterschied. Versicherer, die ihre digitalen Strecken konsequent aus Nutzersicht denken, gewinnen nicht nur neue Kunden – sondern stärken auch nachhaltig ihre Marke.